Forscher der Universität Konstanz und des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Deutschland haben eine Methode entwickelt, mit der sich beobachten lässt, worauf Schwarmfische blicken, wenn sie nahezu perfekt synchron zusammen schwimmen – obwohl jeder Fisch nur eine eingeschränkte Sicht auf seine Umgebung hat.
Mithilfe einer neu entwickelten 3D-Eye-Tracking-Methode zur Videointerpretation können die Forscher Millisekundenunterschiede in der Körperhaltung und Augenposition eines Fisches erkennen und so dessen Sichtfeld bestimmen.
Sie fanden heraus, dass sich jeder Fisch so bewegt, dass ein Auge immer auf den Fisch vor ihm gerichtet ist. Das andere Auge blickt oft in die völlig andere Richtung.
Ziel der Technologie ist es, zur Aufklärung beizutragen, auf Basis welcher Sinneswahrnehmungen die Fische ihre Bewegungsentscheidungen treffen.
Es ist für das Verständnis kollektiven Verhaltens und für das Studium der Robotik von Interesse.
„Wenn man die Biologie besser versteht, kann man bessere Roboter bauen. Und bessere Roboter würden uns helfen, biologische Systeme besser zu verstehen“, sagte Forscher Liang Li.
Andere Forscher an der Universität haben die Rolle sozialer Netzwerke bei der Reaktion von Gruppen auf ihre Umgebung untersucht. Sie untersuchten erneut Fische und stellten fest , dass Gruppen häufiger erschraken und viel mehr Fische an Schreckereignissen teilnahmen, wenn sie ein größeres Risiko in der Umgebung wahrnahmen. Die erhöhten Schreckraten waren jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass einzelne Fische empfindlicher auf Gefahrensignale reagierten. Vielmehr war es die physische Struktur der Gruppe – wie die einzelnen Fische zueinander positioniert waren und wie weit sie voneinander entfernt waren –, die ein Schreckereignis am besten vorhersagte.
Mit anderen Worten: Durch die Veränderung der Gruppenstruktur und das Zusammenrücken wurde die soziale Verbundenheit der einzelnen Mitglieder stärker, was es ihnen ermöglichte, als Kollektiv effektiver und schneller auf Veränderungen in ihrer Umgebung zu reagieren.
Die Forscher sind überzeugt, dass die Ergebnisse der Entwicklung neuer Technologien zur effizienten Problemlösung durch kollektive Intelligenz, wie zum Beispiel vernetzte Roboter, zugutekommen könnten.
In einer früheren Studie wurde untersucht, welche Auswirkungen die Individualität eines Fisches auf das kollektive Verhalten hat. Die Forscher fanden heraus, dass Fische, die mehr Zeit in der Nähe anderer verbrachten, langsamere Einzelgeschwindigkeiten aufwiesen, zentralere Positionen in der Gruppe einnahmen und anderen viel eher folgten. Gruppen, die aus solchen Individuen bestanden, waren geschlossener, bewegten sich weniger und waren deutlich weniger koordiniert als Gruppen von Individuen, die weniger soziale und schnellere Verhaltenstendenzen aufwiesen.
Die von der Universität Konstanz, dem Max-Planck-Institut für Ornithologie und der Universität Cambridge durchgeführte Forschung könnte dazu beitragen, die Entstehung komplexer kollektiver Verhaltensmuster auf sozialen und ökologischen Skalen zu erklären und vorherzusagen, was sich auf den Naturschutz, die Fischerei und bioinspirierte Roboterschwärme auswirken könnte. Sie könnte sogar zum Verständnis der menschlichen Gesellschaft und der Teamleistung beitragen.